Donnerstag, 10. April 2014

Werden die Leitzinsen in der Eurozone jemals wieder deutlich angehoben?

Treue Leser dieses Blogs wissen, dass ich schon seit geraumer Zeit skeptisch gegenüber hohen Inflationsraten - speziell in der Eurozone - bin. Dabei schien nach der Finanzkrise doch alles klar zu sein. Die Notenbanken (FED und EZB) senken die Leitzinsen und stellen auf diese Weise billiges Geld zur Verfügung. Dieses billige Geld wird schon irgendwie den Weg in den Wirtschaftskreislauf finden und damit die Inflation aufleben lassen. Das war die vorherrschende Meinung und quasi Konsenz bei Finanz-Experten. Doch seit einiger Zeit beschäftigt mich die Frage, ob die europäische Zentralbank EZB die Leitzinsen auf längere Sicht - das heißt viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte - überhaupt wieder deutlich anheben kann?

Mittlerweile sind fünf Jahre nach der Finanzkrise und dem gleichzeitig stattgefundenen Aktiencrash vergangen. Gerade im Spätherbst 2013 senkte die EZB den Leitzins auf 0,25%, also können sich Banken Eurogeld von der EZB fast zinslos leihen.

Die Leitzinsen der EZB und FED liegen seit
etlichen Jahren auf extrem niedrigem Niveau
Das Senken der Leitzinsen war in den USA und Europa notwendig, um die angeschlagene Wirtschaft wieder zu stimulieren. Das ist insgesamt auch wieder gelungen, allerdings sind die Wachstumsraten angesichts seit Jahren niedriger Leitzinsen auch nicht gerade so, dass man in Begeisterung ausbrechen könnte. Gerade in Südeuropa hat man sich von dem sehr niedrigen Niveau lediglich etwas aufwärts bewegt und alte Höchststände am Aktienmarkt sind dort in utopisch weiter Ferne.

Offenbar ging ein guter Teil der Liquidität in einige Aktienmärkte wie Deutschland und vor allem die USA. Denn dort gab es - trotz eher moderater Wirtschaftsdaten - Kursanstiege von teilweise über 30%  in einem Jahr.

Aufgrund der bereits langen Zeit mit niedrigen Leitzinsen (siehe Grafik) setzte in der Wirtschaft ein Gewöhnungsprozess ein, der sich an das dauerhaft paradiesische Liquiditätsumfeld anpasst. An anderen Stellen habe ich schon den Ausspruch gehört: "Die Wirtschaft hänge am Tropf der niedrigen Leitzinsen". Auf deutlich höhere Leitzinsen von 3, 4 oder gar 5 Prozent wäre die Wirtschaft gar nicht mehr eingestellt. Insofern werden sich die Zentralbanken in Europa, aber auch in den USA, hüten zu restriktiv vorzugehen, und zwar selbst im Fall guter Ökonomiedaten und ansteigender Teuerungsraten.

Wenn man sich die Leitzinsentwicklung der letzten 20 bis 25 Jahren in den USA und der Eurozone anschaut, ist der generelle Abwärtstrend nicht zu übersehen. Jedes folgende Tief und jedes nachfolgende Hoch war niedriger als die jeweils vorangegangenen. Die globale Wirtschaft konnte bereits für viele Jahre dieses Niedrigzinsumfeld für den eigenen Vorteil nutzen.

Und, trotz der extrem niedrigen Leitzinsen lag die offizielle Inflationsmarke in der Eurozone im März 2014 bei mickrigen 0,5%. Es geht mir gar nicht um das Zustandekommen dieses Wertes - jeder hat eine eigene subjektive - Inflationsrate, sondern um das Niveau und den Trend. Bei einem Leitzins unweit von 0% müsste eigentlich die Teuerungsrate ansteigen, andernfalls ist Inflation im Grunde überhaupt kein Thema.

Die niedrigen Leitzinsen der Eurozone führten beim Zugpferd Europas, nämlich Deutschland, zu einem moderaten Wirtschaftswachstum, aber zu keiner ansteigenden Inflationsrate. Denn diese ist in Deutschland zuletzt auf 1,0% gefallen. Und was tut man im Land der Wirtschaftslokomotive Europas? Man führt einen Mindestlohn ein, der wie wir bereits im Artikel: "Die wichtigsten 24 Regeln der Wirtschaft" gesehen haben, kontraproduktiv für die Wirtschaft ist. Und man senkt das Renteneintrittsalter, obwohl bei der demografischen Entwicklung eigentlich jedem klar sein müsste, wie unsinnig dieses Vorgehen ist. Denn bereits in den nächsten 20 Jahren wird sich das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Ruheständlern beschleunigt geändert haben. Derzeit versorgen noch 100 Personen im arbeitsfähigen Alter per Umlagesystem etwa 33 Rentner. Im Jahr 2035 werden 100 Personen im arbeitsfähigen Alter dagegen rund 55 Rentner alimentieren müssen.

Halten wir fest: Im derzeit wirtschaftlich noch stärksten Land der Eurozone wird sich mehr um die Sozialsysteme gekümmert und die Südeuropäer müssen sogar erst einmal wieder eigenständig auf die Beine kommen. Irgendwie ist das alles kein Umfeld, im dem ich in den nächsten Jahren eine deutliche ansteigende Inflation sehen kann. Die passenden inflationären Rahmenbedingungen wären eine wachsende Bevölkerung mit vielen jungen tatkräftigen Menschen, deutlich steigende Löhne, eine brummende Wirtschaft und Länder, bei denen nicht beständig mehr Ressourcen für die Sicherung des Rentenalters umgeschichtet werden müssen.

Aus den genannten Gründen bin ich skeptisch, ob die EZB bei diesem deflationären Umfeld in den nächsten fünf oder zehn Jahren den Leitzins in der Eurozone überhaupt deutlich anheben kann. Ein zu sehr auf Inflationsgefahren ausgerichtetes Vermögens-Portfolio mit einem hohen Edelmetallanteil wie Gold ist somit in meinen Augen nicht zielführend.

Für den Aktienmarkt muss diese deflationäre Entwicklung nicht unbedingt schlecht sein. Denn es gibt auch in Europa jede Menge gut geführter Unternehmen, die global agieren und sich von den demografischen Problemen Europas zu einem guten Teil abkoppeln können. Außerdem sind niedrige Leitzinsen grundsätzlich gut für den Aktienmarkt.

Die Frage, die sich mir zusätzlich stellt, ob es mit dieser Erwartung der Leitzinsentwicklung nicht doch vorteilhaft wäre, einen gewissen Anteil von Anleihen ins Depot beizumischen?

Wie sieht es bei Ihnen aus? Befürchten Sie nennenswerte Inflationsgefahren in der Eurozone?

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2 Kommentare:

  1. "Befürchten Sie nennenswerte Inflationsgefahren in der Eurozone?"

    Ich 'fürchte' eigentlich garnichts, wenn man gut diversifiziert ist und mit allen Eventualitäten einigermaßen umgehen kann. Globale Aktien und Anleihen, dazu unsere (privaten) Immobilien. Für den Weltuntergang kann man sich ja auch gerne noch ein paar Konservenbüchsen und Patronenkugeln ins "Depot" holen.

    Meine Cash-Reserve beträgt ugf die oft empfohlene Jahresgehalt-Größe. Und ich verliere jedenfalls nicht allzuviel Schlaf darüber mit der Vorstellung, das morgen auf einmal der Laib Brot wieder 10 Millionen Reichsmark kosten könnte. Was Inflation, also Geldentwertung oder Verteuerung der Güter angeht, tja bevor der Euro eingeführt wurde (ist ja auch nicht sooo lange her) haben die Zigaretten noch 5 Mark das Pack gekostet (heute sinds 5 Euro), ach btw in den 60ern warn's mal eine Mark, tjaja. Bin kein Raucher mehr, das Beispiel ist nur so schön anschaulich für den Kaufkraftverlust bei gleicher Ware. Das Gefühl, am Ende immer weniger Geld in der Tasche zu haben, kommt bei mir aber eher hpts durch die immer höheren/neueren Steuern und Abgaben (Stichwort Energie, zum Beispiel).

    Achja und noch zur Demographie, naja das ist halt allgemein eine Folge des Wohlstandes. Die (wirtschaftlichen) Entwicklungsstufen der Gesellschaften sind wohl negativ korreliert mit der Fortpflanzungsrate. Und nicht nur in Europa, um Mal nicht so zu tun als wär das nur ein Problem des Untergangs unsres tollen Abendlandes. Japan und Südkorea haben das gleiche Problem, und wenn es die Chinesen in ein paar Jahrzehnten schaffen genauso fett, faul und gesättigt zu sein wie wir wirds da genauso runtergehen.

    Bzgl. (Leit)Zinsen, die werden mittelfristig auch noch niedrig bleiben weil dadurch ja auch (wurde glaub ich so von dir noch nicht angesprochen?) die Staatsschulden via Zahlungserleichterung künstlich gedämpft werden können. Und wir sind da ja grad in einer "Krise", die nicht nur systemisch sondern mMn auch chronisch geworden ist, also uns so erhalten bleibt

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  2. Die Inflation wird kommen, darauf spekulieren alle Politiker, ohne Inflation, werden die Staatschulden auch nicht weniger.

    Ich merke die Inflation in Freiburg, die Wohnpreise explodieren, das dies noch nicht in der Ofiziellen Inflations-rate angekommen ist, liegt am Heizöl und Kraftstoffe, die werden aber in Zukunft nur in eine richtung gehen.



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