Freitag, 17. April 2015

Teil 2 - Wie verhalte ich mich als Anleger in Krisenzeiten?

Im ersten Teil der Artikelserie "Wie verhalte ich mich als Anleger in Krisenzeiten?" haben wir uns angesehen, ob mittelfristige Hochpunkte am Aktienmarkt frühzeitig zu erkennen sind und wie die letzten Baissen 2000 bis 2003 und 2008 bis 2009 verlaufen sind.
Im nun folgenden zweiten Teil der Serie blicken wir auf die Beweggründe warum Aktien überhaupt gehalten werden, was unterschiedliche Konsequenzen in einem Bärenmarkt hat. Zudem untersuchen wir, worauf zu achten ist, wenn man regelmäßige Einzahlungen vornimmt oder Sparpläne laufen hat und wie hoch eventuelle Dividendenkürzungen ausfallen werden.

Aus welchen Gründen werden Aktien gehalten?
Um die Möglichkeiten abzuklopfen, welches ein vorteilhaftes Verhalten bei einem Trendwechsel ist, muss man sich generell die Frage stellen, warum überhaupt Aktien ins eigene Depot gekauft wurden? Wer lediglich kurzfristige Kursschwankungen handelt, also Trading betreibt, ist bei den ersten Anzeichen eines Trendwechsel schnell wieder aus dem Markt. Das Trading soll hier allerdings nicht das Thema sein, sondern das langfristige Investieren.

Das bedeutet, Aktien und Aktien-ETFs werden mindestens fünf, besser mehr als zehn Jahre gehalten. Bei mir persönlich ist es sogar so, dass ich beim Aktienkauf eigentlich überhaupt nicht beabsichtige, das Wertpapier irgendwann einmal wieder zu verkaufen. Denn ich möchte ja regelmäßige und dauerhafte Dividenden erhalten. Dass in der Praxis aus diversen Gründen dennoch Verkäufe vorkommen können, ist ein anderes Thema.

Typischer Bärenmarkt in Krisenzeiten
über mehrere Jahre
Nun gibt es Anleger, die Aktien tatsächlich nur für eine gewisse Zeit halten möchten, um zum Beispiel in zehn Jahren mit dem Kapital plus Gewinn eine Immobilie zu erwerben. Oder man nutzt das Geld im Ruhestand zum allmählichen Verzehr, um damit die anderen Rentenzahlungen zu ergänzen. In solchen Fällen hängt es sehr davon ab, ob der Zeitpunkt des geplanten Verkaufs näher rückt. Beabsichtigt man zum Beispiel in den nächsten ein bis zwei Jahren seine Aktien in jedem Fall zu veräußern, wäre es natürlich ziemlich ärgerlich, wenn nach einem langen Aufwärtstrend (wie von 2009 bis 2015) ein abrupter deutlicher Kursrückgang einen Großteil der erzielten Kursgewinne wieder zunichte machen würde.

In diesem Fall würde ich tatsächlich auf ein Stop-Loss-Verfahren zurückgreifen. Sollte es sich um größere Summen handeln, bieten sich auch zwei oder drei gestaffelte Stop-Loss-Order an, wobei die jeweils niedrigste Verkaufsorder im Markt bei weiter steigenden Kursen am dichtesten am aktuellen Kurs platziert wird. Auf diese Weise behält man im Fall eines plötzlichen Kursrückgangs noch möglichst viel vom erzielten Kursgewinn. Auf der anderen Seite lässt man somit dem Markt auch genügend Luft zu atmen, profitiert nach kurzen Rücksetzern von weiteren Anstiegen, weil nicht alle Stop-Loss-Order ausgelöst wurden.

Die weiteren Ausführungen sind für Anleger, die derart langfristig investiert haben, dass sie noch keinen möglichen Verkaufszeitpunkt festgelegt haben oder dieser noch sehr viele Jahre in der Zukunft liegt.

Wenn der Trendwechsel offensichtlich ist?
Wir betrachten hier einen Rückgang ganzer Indizes und Märkte, nicht nur von einzelnen Aktien. Wenn einzelne Aktien eine Entwicklung entgegen der Trendrichtung des Marktes nehmen, liegt im Standardfall ein individuelles Problem bei dieser Firma vor.

Bereits im ersten Teil der Serie haben wir gesehen, dass es nicht trivial ist festzustellen, ob es sich um einen vorübergehenden Rückgang des Aktienmarktes handelt oder um einen richtigen Trendwechsel. Die Problematik dabei ist, in einer solchen Phase hat man bereits einige Prozentpunkte des Verlustes mitgenommen und bei einem Ausstieg besteht ständig die Gefahr, in der Nähe des relativen Tiefpunktes zu verkaufen.
Wer länger an der Börse dabei ist, kennt folgende Situation: Nach 10 bis 15 Prozent Verlust steigt man aus dem Investment aus und noch in derselben Woche dreht der Markt und beginnt eine längere Aufwärtsbewegung. Damit würde zum einen ein Verlust realisiert und zum anderen könnte man erst wieder teurer in den Markt einsteigen.

Das könnte passieren, wenn zum Beispiel ein gleitender Durchschnitt von 100 oder 200 Tagen als Signalgeber genutzt würde. In seitwärts verlaufenen Märkten steigt man hier sogar ziemlich oft aus dem Markt aus und wieder ein. Das wäre beim DAX im Jahr 2014 etwa 10-mal vorgekommen, was jedes Mal den eigenen Broker für die gezahlten Gebühren erfreut hätte.

Zur Erkennung von Trendphasen ist nach meiner Erfahrung ein gleitender Durchschnitt von 100 Wochen ganz brauchbar. Für gute Einstiegs- oder Ausstiegssignale ist eine 100 Wochen-Linie oft zu träge und daher für ein rechtzeitiges Signal nicht rentabel.

Regelmäßige Investitionen
Wer regelmäßige Einzahlung vornimmt, sollte sie in fallenden Märkten auf keinen Fall aussetzen. Erstaunlicherweise ist das bei vielen Anlegern ein bevorzugtes Verhalten, was nur emotional, aber nicht rational begründbar sein kann. Denn warum sollte man gerade dann regelmäßige Einzahlungen stoppen, wenn man von Kauf zu Kauf günstiger an Aktien gelangt bzw. pro Kauf mehr Aktien oder mehr ETF-Anteile erwerben kann?

Entwicklung der Commerzbank-Aktie von 1991 bis 2015
Quelle: comdirect.de
Differenzieren zwischen Einzel-Aktien und Aktien-ETFs
Dennoch möchte ich eine Differenzierung zwischen Einzel-Aktien und Aktien-ETFs machen. Bei Einzel-Aktien würde ich nicht wahllos darauf vertrauen, dass jedes Unternehmen einen Börsenwinter schadlos überlebt. Damit ist nicht unbedingt gleich eine Insolvenz gemeint, aber es gibt Aktien selbst von prominenten Konzernen, die bei weitem nicht mehr an ihre alten Höchststände zurückkehren. Selbst im DAX gibt es derartige Titel. Wer glaubt daran, dass die Commerzbank-Aktie noch einmal auf 200 Euro steigt? Oder die Telekom-Aktie einen Wert von 100 Euro erreicht?

Kriterien für gute Qualität eines Unternehmens sind unter anderem lückenlose jährliche Dividendensteigerungen seit mindestens dem Jahr 2000 (aktuell also mindestens 15 Jahre). Diese Unternehmen konnten demnach trotz zwei starker Krisen (2000 bis 2003 und 2008) ihre Dividende jedes Jahr ohne Unterbrechung anheben.
Weitere Kriterien, dass ein Unternehmen robust genug ist, um durch eine negative wirtschaftliche Episode zu kommen, nutzen wir bei der Liste der profitablen Unternehmen. Da wären unter anderem eine hohe Gewinnmarge (Kapitalrendite RoA), eine niedrige Verschuldung und somit eine möglichst hohe Eigenkapitalquote sowie Liquiditätsreserve. Letzterer Punkt ist nicht zu unterschätzen, denn bei der letzten Finanzkrise zeigten sich die Banken generell recht unwillig Konzernen mit knapper Geldreserve neue Kredite zu geben. Dabei wissen die Konzernlenker natürlich auch, dass es nach einem Crash unglaublich viele Schnäppchen gibt. Wer diese schwierige Zeit jedoch mangels Liquidität und zugebilligten Krediten nicht durchstehen kann, ist für ein Unternehmen nicht nur sehr ärgerlich, sondern kann das Aus bedeuten.

Bei ETFs mehr Sicherheit durch die Baisse zu kommen
Bei ETFs ist die Sache einfacher, erst recht bei solchen, die breit diversifizieren können und ein hohes Fondsvolumen vorweisen können. Globale Aktien-ETFs bieten sich zum beherzten Kauf an, selbst in schlimmsten Krisen und wenn die Medien voll von düsteren Zukunftsaussichten sind. An anderen Stellen sagte ich bereits, die Wahrscheinlichkeit, dass ein globaler Aktien ETF wertlos wird bei nahezu 0 Prozent liegt. Das wäre gleichbedeutend damit, dass weltweit selbst die größten und mächtigsten Konzerne insolvent werden würden. Die Möglichkeit bestünde beispielsweise bei dem Einschlag eines größeren Asteroiden, aber in diesem Fall hätte die Menschheit ganz andere Probleme.

Wer also bei größeren und diversifizierten ETFs durch die Krise, durch den Bärenmarkt hindurch weitere Anteile erwirbt, wird nach dem Börsenwinter reichlich belohnt. Aber das bezieht sich nicht nur auf Kursgewinne, sondern auch bei den Dividendenzahlungen

In welcher Höhe gibt es Dividendenkürzungen im Bärenmarkt?
Jetzt ist eine Abschätzung zu treffen, in welcher Höhe die Dividendenausschüttungen in einem Bärenmarkt gekürzt werden. Vor ein paar Wochen haben wir bei den Rekord-Dividendenausschüttungen des DAX festgestellt, dass die Dividendenzahlungen zur Finanzkrise im deutschen Leitindex um rund ein Drittel gekürzt worden sind. Nun ist es so, dass die Dividendenpolitik in Deutschland nicht die beste Anlegerfreundlichkeit aufweist. Denn je nach Marktlage werden die Dividendenausschüttungen auch mal ziemlich drastisch gekürzt, aber nach guten Jahren auch sehr stark gesteigert.

Auf der anderen Seite gibt es die weiter oben angesprochenen Dividenden-Aristokraten, die trotz negativer wirtschaftlicher Zeiten ihre Ausschüttung an Investoren jährlich steigern konnten. Von daher dürften ETFs mit Dividenden-Aristokraten selbst in Krisenzeiten keine Dividendenkürzungen vornehmen. Diese ETFs gibt es erst seit einigen Jahren, daher müssen wir zum Beweis auf den nächsten Bärenmarkt warten.

Die Historie von globalen, ausschüttenden ETFs reicht ebenfalls noch nicht sehr weit zurück. Dafür muss jetzt stellvertretend für einen globalen ETF der aktiv gemanagte Fonds DWS Top Dividende herhalten. Bei der Finanzkrise 2008 verlor dieser Fonds vorübergehend rund 45 Prozent an Kurswert. Die Dividende wurde gleichzeitig von 2,90 Euro auf 2,65 Euro pro Fondsanteil reduziert. Das ist eine Kürzung der Dividendenzahlung von etwa 9 Prozent.
Aufgerundet wird bei einem globalen Aktien-Fonds oder globalen Aktien-ETF die Dividendenzahlung vorübergehend um etwa 10 Prozent gesenkt. Im Vergleich zu den Kursschwankungen von rund 50 Prozent verliert somit ein Crash oder Bärenmarkt einen Großteil seines Schreckens.

Jetzt kommen wir darauf zurück, wenn man gerade in schlimmsten Krisen regelmäßig weitere ETF-Anteile kauft. Aufgrund des niedrigen Kurswertes, kauft man entsprechend günstig eine hohe Dividendenrendite ein. Bleiben wir als Beispiel beim Top Dividende-Fonds. Vor der Finanzkrise gab es Fondsanteile für etwa 90 Euro. Also erhielt man 2,90 Euro / 90,00 Euro = 3,2 Prozent Dividendenrendite. Ende 2008 und am Anfang 2009 lag der Kurs dieses Fonds über mehrere Monate zwischen 55 und 60 Euro. Also erhielt man 2,65 Euro / 57,5 Euro = 4,6 Prozent Dividendenrendite.

Halten wir fest: Nach erheblichen Kursrückgängen bekommt man für regelmäßige Investitionen nicht nur deutlich mehr Aktien bzw. ETF-Anteile, sondern erhält eine merklich höhere Dividendenrendite für sein Geld. Die individuelle Größe Yield on Cost (YOC) wird dadurch spürbar verbessert.


Zusätzliches Investieren
Bei bereits deutlich gefallenen Indizes bietet sich an neben den regelmäßigen Sparplänen auch zusätzliche Aktien oder Anteile von Aktien-ETFs zu kaufen. Das Geld stammt aus der Liquiditätsreserve für Investments. Nach einem Kursrückgang von über 20 Prozent könnte man damit beginnen und bei Rückgängen von über 30 und über 40 Prozent den Anteil noch sukzessive erhöhen. Ein Patentrezept wann wie oft und in welcher Höhe gibt es nicht. Man sollte jedoch prüfen, wie viel Reserve vorhanden ist und ob man auch bei einem möglichen Minus von 50 Prozent noch Reserven haben möchte.

Das war der zweite Teil der Artikelserie "Wie verhalte ich mich als Anleger in Krisenzeiten?". Im dritten Teil der Serie schauen wir, warum die hier in der Theorie beschriebene Vorgehensweise in der Praxis nur die wenigsten Menschen wirklich umsetzen. Dazu berichte ich auch von meinen eigenen Erfahrungen während der Finanzkrise und dass das dann herrschende Umfeld mit den derzeitigen ruhigen - fast schon paradiesischen - Verhältnissen überhaupt nicht vergleichbar ist.
Zudem blicken wir auf Möglichkeiten, mit denen im Vorfeld eines Bärenmarktes Vorkehrungen getroffen werden können.
Hier alle Teile der Artikelserie in der Übersicht.

Teil 1 - Wie verhalte ich mich als Anleger in Krisenzeiten?
Teil 2 - Wie verhalte ich mich als Anleger in Krisenzeiten?
Teil 3 - Wie verhalte ich mich als Anleger in Krisenzeiten?

Zum Weiterlesen:

4 Kommentare:

  1. Noch ein Gedanke zum Abschnitt "Zusätzliches Investieren":

    Wie wohl die meisten investiere ich bei meinem Sparplan einen festen Betrag pro Zeitraum. Wenn der Markt gerade korrigiert und Liquidität vorhanden ist erhöhe ich auch gerne meinen Sparbetrag. Voraussetzung ist, das der Kurs unter dem Mittelwert der vorangegangen Käufe liegt. Steigt der Kurswert wieder über den neuen Mittelwert wird der Sparbetrag wieder reduziert.

    So profitiert man verstärkt in einer Baisse ohne sich Gedanken über die Dauer zu machen. Wichtig ist für mich das Investieren möglichst einfach zu halten.

    Denn frei nach Warren Buffet:
    Verstehe nicht nur das Geschäftsmodell der Unternehmen in die man investiert, sondern verstehe dein Investmentmodell.

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  2. "An anderen Stellen sagte ich bereits, die Wahrscheinlichkeit, dass ein globaler Aktien ETF wertlos wird bei nahezu 0 Prozent liegt."

    Selbt ein breit-gestreuter MSCI World ETF hat bei der letzten Finanzkrise mehr als 50% verloren.

    Was Du nicht erwähnst, sind die speziellen Risiken, die mit dem Vehikel ETF verbunden sind. Klar, dass Blackrock oder die DB in Schieflage geraten, ist doch eher unrealitisch. Oder?

    Schau mal in den Verkaufsprospekten der ETFs, was diese so alles machen dürfen. Fondsschliessung, Verschmelzung, die Schieflage des einen ETFs (z.B. wegen SWAP oder WP-Leihe) mit anderen ETFs (Sondervermögen) verrechnen usw.

    Was würde passieren, wenn die nächste Krise eine Liquiditätskrise ist? Sollten die Anleger (meistens Institutionelle) ihre ETF-Anteile verkaufen, muss der ETF (im Gegensatz zum aktiven Fonds der auch Cash hält) seine Bestandteile veräußern, egal zu welchem Preis.

    Der Beweis bleibt noch aus, dass ETFs dann nicht als Brandbeschleuniger fungieren und durch das verkaufen müssen, die Kurse weiter drücken.

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  3. du erwähnst stop loss order. ein artikel hierzu wäre sehr hilfreich. wie setze ich diese, wie wähle ich die höhe, etc?

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    1. Stop Orders wurden hier schonmal genauer angesprochen.
      http://finanziell-umdenken.blogspot.de/2012/11/stop-loss-fur-dividenden-aktien_29.html

      Einsetzen tut man die halt wenn man unbedingt Kapital bis zu einer vordefinierten Grenze schützen will. Einfach beim Broker einen dauerhaften Verkaufsauftrag bei einem bestimmten Kurs einrichten (die meisten Broker bieten auch automatisch nach oben mitziehende Trailing Stops an).

      Die Höhe kann man als einen pauschalen Prozentabstand bestimmen, oder anhand "charttechnischer" Marken. Über Sinn und Unsinn generell kann man sich sicher streiten, zum Beispiel bei einem großen globalen ETF (und gerade wenn man ihn auch noch regelmäßig bespart) würde ich eher auf "halten und durchhalten" bauen anstatt irgendwelche "rein und raus" Versuche zu traden. Wenn man allerdings z.b. eher schon im fortgeschrittenen Alter ist und vor allem auf Wahrung eines großen angesammelten Kapitals bedacht ist, habe ich auch mehr Verständnis dafür

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