Dienstag, 2. Juli 2013

Schulden zurückzahlen oder lieber sparen?

Oft wachen Menschen aus finanzieller Sicht erst auf, wenn ihnen die Schulden drohen über den Kopf zu wachsen. Sobald die Erkenntnis über die prekäre Lage gewonnen ist, erweist sich dieser Zeitpunkt später oft als ein Umkehrpunkt im Leben. Die Betroffenen haben in dieser Situation den festen Entschluss gefasst, die Verbindlichkeiten so schnell wie möglich zurückzuzahlen. Gleichzeitig möchten sie aber auch anfangen Geld zurückzubehalten, um langfristig Vermögen aufzubauen. Der Wille diesen Weg zu gehen, ist ein erster wichtiger Schritt zum langfristigen Ziel, jedoch stehen diese Menschen vor einer kniffeligen Frage. Sollte man zuerst seine Schulden komplett zurückzahlen oder sich lieber auf das Sparen konzentrieren, um Rücklagen zu bilden?


TARGOBANK Doppelzinssparbuch

Betrachten wir es zunächst aus der nüchternen Perspektive. Ersparnisse sind keine vorhanden und mit einer Verbindlichkeit von 10.000 Euro berechnen wir die Gesamtkosten. Also das Geld, welches zusätzlich zur Rückzahlung der 10.000 Euro anfallen würde.

10.000 Euro Schulden, effektiver Zinssatz 4,99%
Laufzeit 84 Monate
monatliche Rate 141,29 Euro
Gesamtkosten: 1868,36 Euro

Laufzeit 36 Monate
monatliche Rate 299,66 Euro
Gesamtkosten: 787,76 Euro

Laufzeit 12 Monate
monatliche Rate 856,03 Euro
Gesamtkosten: 272,36 Euro

Schon diese einfache Rechnung zeigt, je länger man benötigt, um Schulden abzuzahlen, desto höher werden die Gesamtkosten für die Kreditaufnahme. Aber das ist auch nachvollziehbar, denn je länger das Geld jemanden zur Verfügung steht, desto mehr könnte man damit machen. Im Beitrag "Merken Sie sich den Wert 3,50 Euro" habe ich gezeigt, dass es ohne größere Probleme möglich ist, je angelegte 1.000 Euro monatlich 3,50 Euro als Ausschüttung zu erhalten. Bei 10.000 Euro sind es entsprechend 35 Euro pro Monat. Man könnte nun auf die Idee kommen, sich Geld zu leihen, um es anschließend auf diese Weise anzulegen. Je länger man das Investitionskapital auf Pump zur Verfügung hat, desto mehr Zinsen könnte man damit erzielen. Auf diesen Punkt kommen wir später am Ende des Artikels noch einmal zu sprechen.

Aber zurück zur Ausgangsfrage: Wie sollte man vorgehen, wenn noch Schulden abzuzahlen sind?
Aus Sicht der reinen Rendite sollten zunächst sämtliche Schulden bezahlt werden, da die Tilgungszinsen im Standardfall höher sind als Zinsen/Dividenden für Kapitalanlagen. Zumal wir in dieser Rechnung davon ausgehen, dass sonst keine Ersparnisse vorhanden sind.

Bei der Rückzahlung werden zuerst die Schulden beglichen, die den höchsten Zinssatz haben. Anschließend arbeitet man sich auf diese Weise sukzessive vor, bis man zur Verbindlichkeit gelangt, deren Zinssatz am niedrigsten ist.

Gründe für das Sparen vor Begleichen aller Schulden
Aus Sicht der Motivation - da man nach Abzahlen der Schulden quasi erst bei 0 angekommen ist - böte sich an, von der monatlichen Sparrate an 50-70% zur Tilgung der Schulden zu gebrauchen und entsprechend 30-50% als Sparrate für das Tagesgeldkonto zum Aufbau des finanziellen Schutzes. Dieses Vorgehen hätte die Motivation, dass einerseits die Schulden abgebaut werden, zum anderen man aber auch sieht, wie sich langsam aber sicher Kapital anhäuft.

Ein weiterer Grund neben der Schuldentilgung auch zu sparen, ist die Notwendigkeit eines Notgroschens. Wenn überhaupt keine Rücklagen vorhanden sind, werden bei der nächsten unvorhergesehenen Situation, außer der Reihe etwas Geld zu benötigen, die vorhandenen Schulden sofort wieder vergrößert. Mit dem Aufbau des Notgroschens - das Fundament des späteren finanziellen Schutzes - lassen sich überraschende Ausgaben, die nicht geplant waren, besser bewältigen. Gleichzeitig läuft die Schuldentilgung wie gewohnt weiter.

Fazit
Rein rechnerisch ist die Schuldentilgung am schnellsten vollendet, wenn alles verfügbare Geld dafür verwendet wird. Meine bevorzugte Strategie wäre allerdings aus den eben genannten Gründen etwa 50 bis 70% zur Rückzahlung der Verbindlichkeit zu nutzen und den Rest als Reserve für ungeplante Ausgaben rasch verfügbar auf ein Tagesgeldkonto zu legen. Letztendlich wird dieser Weg etwas teurer, wie das Rechenbeispiel weiter oben im Artikel zeigt. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit jedoch deutlich höher in dieser fragilen Lebenssituation auf dem einmal eingeschlagenen Weg zu bleiben.


Kredite mit passivem Einkommen tilgen
Zum Abschluss betrachten wir ein Beispiel bei dem Kapital vorhanden ist, aber dennoch (vorübergehend) ein Kredit aufgenommen werden soll. Das kann durchaus Sinn machen, wenn man die vorhandenen Investitionen nicht liquidieren - also in Bargeld umtauschen - möchte. In dem Fall könnte die Tilgungsrate in der Höhe gewählt werden, dass die vorhandenen Geldflüsse aus passivem Einkommen die Kreditrückzahlung übernehmen. Selbst wenn dies nicht komplett gelingt, kann das passive Einkommen bereits einen Zeil der Rückzahlung übernehmen.
Dieses Vorgehen mit Immobilien im großen Stil angewandt, hat den erfolgreichen Finanzcoach Robert Kiyosaki in seinem Werk "Rich Dad, Poor Dad" weltweit bekannt gemacht.
Mehr dazu in den Artikeln: "Lässt sich Fremdkapital als Privatperson profitabel nutzen?" und "Nutzen Sie Investments zur Finanzierung Ihrer Wünsche und Hobbys".

Was ist Ihre Erfahrung mit der Schuldentilgung und gleichzeitigem Sparen? Hatten Sie schon einmal Schulden?

Zum Weiterlesen:

8 Kommentare:

  1. Hallo,

    Vermögensaufbau und Schuldenabbau gleichzeitig mit festen prozentualen Raten zu betreiben ist natürlich eine Möglichkeit. Ich allerdings sehe grundsätzlich den Schuldenabbau VOR dem Vermögensaufbau. Warum? Mit Fremdkapital an der Börse zu spekulieren, also den Leverage-Effekt ausnutzen, ist sehr riskant, wie Sie ja auch schon in ihrem verlinkten Artikel beschrieben haben, und somit nur etwas für sehr risikoliebende Personen eine Möglichkeit und auch nur im Rahmen eines "Spielgeld" Betrages. Somit für denjenigen, welcher schon ohnehin Schulden aufnehmen mußte, da er/sie Finanzierungsprobleme hatte, nicht empfehlenswert. Andererseits einen Teil von 30-50% der Sparrate auf ein TG-Konto zum "Ansparen" zu buchen, ist verschenkte Rendite. Man tauscht ca. 1,5 % Zinsen, gegen 4,99 %. Beide Renditen sind garantiert, wobei der TG-Zinssatz noch sinken kann!!!
    Sinnvoller ist es m. E. deshalb zuerst schnellstmöglich die Schulden abzubezahlen. Kleine "Notfälle" die evenuell, vielleicht eintreten könnten, kann man ansonsten mit einem kleinen, weiteren Kredit bewältigen.

    Gruß, Björn

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  2. Bei diesem Thema werden oft mathematische Vergleiche durchgeführt und festgestellt, dass eine Zahl größer ist, als die andere.
    Beim Lesen des Artikels trat bei mir jedoch eine andere Seite stark in den Vordergrund. Diese Menschen können offensichtlich mit dem Geld nicht „gut“ umgehen, dies hat sie in diese ungemütliche Situation geführt.
    D.h. auch wenn sie sich für Schuldenabbau oder auch 50/50-Vermögensaufbau entscheiden, sind sie nach sehr kurzer Zeit wieder in der Klemme. Warum? Sie planen nicht damit, dass nach einer Nebenkostenabrechnung ein paar Hunderte nachzuzahlen sind, dass ein Elektrogerät seinen Geist aufgibt oder dass manchmal ein Auto ungeplante Reparaturen oder Verschleißteileaustausch benötigen wird.
    Mein Fazit: erst wirklich alles, was über notwendige Kreditrückzahlung zur Disposition steht, in den „Notgroschenaufbau“ stecken. Erst wenn mindestens 1.000€ angespart sind, kann man an schnelleres Tilgen oder Vermögensaufbau denken. Ansonsten machen bereits kleine Unregelmäßigkeiten (und davon gibt es leider viel zu viele) alles kaputt.
    Kürzlich bat mich eine Frau aus der Nachbarschaft um Geldausleihe. Wieviel? 30€!? Eine ungeplante Rechnung muss sehr dringend beglichen werden. Viele Menschen haben schon Erfahrung, was passiert, wenn so eine winzige Rechnung nicht rechtzeitig beglichen wird. Außer der Mahngebühren und teilweise horrenden Strafzinsen wird Strom abgestellt, Wohnung gekündigt, ein Gerichtsvollzieher klopft an der Haustür – (jeder darf hier selbst ausmahlen). Alles noch verbunden mit viel Stress und Zeitverlust. Im Vergleich dazu sind die verloren 50€ (5% von 1.000€) pro Jahr wirklich vernachlässigbar.

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  3. Danke für die ausführlichen Erfahrungsberichte und Einschätzungen! An den Antworten wird ebenfalls deutlich, es gibt hier offenbar kein absolutes "richtig" oder "falsch". Jedes Vorgehen hat seine Berechtigung, aber eben auch mögliche Nachteile.

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  4. Auch ich befinde mich zurzeit in der Zwickmühle zwischen Schuldenabbau und Vermögensaufbau.

    Mein (teilweise bereits umgesetzter) Plan ist, meine bisherige monatliche Belastung soweit wie möglich zu senken (z. B. durch längere Laufzeiten). Von dem eingesparten monatlichen Raten werden 50% konsequent auf ein Tagesgeldkonto als Notgroschen überwiesen, den Rest habe ich zur freien Verfügung (falls nicht benötigt, wandert der Rest auch auf das Tagesgeldkonto).

    Falls ich den Notgroschen nicht benötige, nutze ich einmal jährlich das Guthaben auf dem Tagesgeldkonto für eine Sondertilgung der Kredite. So habe ich zwar höhere Kosten durch die längere Laufzeit, die ich durch die Sondertilgung und Guthabenzinsen auf dem Tagesgeldkonto aber mindern kann, und bin im Notfall liquide (ist m. E. höher einzuschätzen als geringere Kosten bei Krediten).

    Für den Fall, dass der Notfall mich direkt nach der Sondertilgung erwischen sollte, habe ich natürlich einen "Notfall-Notfallgroschen"... :-)

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    1. So kann man es auch gestalten. Vorausgesetzt der Mittelzufluss ist entsprechend hoch.
      Vermutlich verfügst du über genügend Einnahmen auf einer Seite und hast hohe Schulden auf der anderen Seite (ansonsten wären die Schulden in relativer kurzer Zeit zurückgezahlt).
      D.h. der „Notfall-Notfallgroschen“ reicht, um kleinere Überraschungen zu regeln. Nach einem, zwei Monaten ist man wiederum relativ gut geschützt.
      Für Leute mit sehr kleinem Einnahmenüberschuss ist dies nicht empfehlenswert, denn bis der Notfallgroschen wieder eine gewünschte Höhe erreicht, vergehen mehrere Monate und gerade das Risiko will man nicht eingehen (wie du so schön geschrieben hast - Liquidität hat Vorrang vor Rendite).

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  5. Ich bin auch der Meinung, dass man zunächst alle Schulden zurückzahlen sollte. Das verschafft einem zunächst mal Übersicht. Es bringt ja nichts den Kredit in kleinen Happen zurückzuzahlen und nebenbei zu versuchen Rücklagen zu bilden, die wiederum von den Zinsen des Kredits wieder aufgefressen werden.

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  6. Hallo,
    ich bin der Meinung, dass die Anfertigung einer Vermögensaufstellung enorm dabei unterstützt. Dabei werden die Vermögenswerte und die Verbindlichkeiten gegenübergestellt. So hat man einen idealen Überblick über die eigene Situation. Bei einer monatlichen Aktualisierung sieht man genau die Veränderungen und kann sich so immer weiter motivieren durchzuhalten.

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  7. Ich halte den Vermögensaufbau für sinnvoll....die monatlichen Raten für die eigene Immobilie sehe ich als Miete.
    Selbst wenn ich Heute meinen kompletten Kredit abzahlen könnte, würde ich das Geld lieber in den Vermögensaufbau stecken....da ich anders herum zwar Schuldenfrei wäre, aber dafür wieder bei Null anfangen müsste...

    Zu meiner Person......
    Ich bin 39 Jahre jung und habe angefangen finanziell Umzudenken...
    Investitionen laufen in vermitetem Eigentum, Private Equity, ETF und P2P...die inflationsbereinigten Renditen reichen von 5 bis 11 %.....ja das ist Real und kein Quatsch.....

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